Im Mittelalter zogen Kaufmannszüge aus allen Himmelsrichtungen zur Frankfurter Messe.
In Seligenstadt waren es die Kaufleute aus Nürnberg und Augsburg, die hier die letzte Rast nach einem beschwerlichen und gefährlichen Weg durch den rauhen Spessart oder entlang des Maines einlegten.
Gefährlich deswegen, weil Raubritter und Räubergesindel den „Pfeffersäcken“ auflauerten, um sie zu berauben.Darum war es bald notwendig, dass für einen bewaffneten Schutz gesorgt wurde.
Kein Geringerer als der Staufenkaiser Friedrich II. war es, der im Jahre 1240 die Kaufmannszüge unterden kaiserlichen Schutz stellte und einen Geleitsbrief aufstellte. Von nun an mussten die Landesherren bewaffnetes Geleit stellen. Im Bereich Seligenstadt, genauer gesagt an der Grasbrücke zwischen Stockstadt und Seligenstadt (heutige Gaststätte Schwalbennest), fand ein wichtiger Wechsel der Schutztruppen statt: Frankfurter Geleitstruppen übernahmen von den Kurmainzerischen Geleitsritterndie Schutzfunktion.
Im 16. Jahrhundert übernachtete das Geleit in Seligenstadt oder Aschaffenburg. In späteren Jahrhunderten war Seligenstadt der mittägliche Rastort. Während die Kaufleute in den SeligenstädterGasthäusern abstiegen, hatte das Kloster die Geleitstruppen und kurfürstlichen Beamten zuverköstigen.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich bei den Kaufleuten der sogenannte Hänselbrauch, d.h. Neuankömmlinge mussten den einen Liter fassenden Löffel, der ihnen mittels einer Kette um den Hals gelegt wurde, in einem Zug leertrinken. Wer diese Tortur nicht schaffte, musste die „Compagnie“ freihalten. Erst dann wurde er Mitglied der Gemeinschaft und in die Zunft oder Compagnie der Kaufleute aufgenommen.
Dieser Brauch wird bis heute gepflegt und er ist der Höhepunkt des alle 4 Jahre stattfindenden Geleitsfestes, wenn am Sonntagnachmittag nach dem historischen Geleitszug drei Kandidaten öffentlich auf dem Seligenstädter Marktplatz den Löffel trinken. Da diese Zeremonie in früherer Zeit ein Rechtsbrauch darstellte, wurden die Vorgänge genau protokolliert, und diese Löffelbücher sind bis heute die wichtigste Quelle über dieses sicherlich einmalige Brauchtum.
Mit dem nachstehenden Link kommen Sie auf die Internetseite des Vereins zur Förderung des Regiomuseums Seligenstadt e.V. Dort können Sie drei historische Seligenstädter Gäste- oder Löffelbücher einsehen (Historische Löffelbücher)
In unserem Zeitalter sind solche Vexationen, wie der Löffeltrunk auch genannt wurde, nicht mehr üblich. Man beschränkt sich heute darauf, hohen Gästen der Stadt den Willkommenstrunk in einem dafür eigens geschnitzten historischen Löffel zu reichen. Auch dieser Brauch ist historisch verbrieft.
Es gab neben dem Nürnberger und Augsburger Geleitslöffel den sogenannten Willkommlöffel, der den weniger Durstigen gereicht wurde. Der echte Willkommlöffel stammt aus dem 17. Jahrhundert und hat –nach einigen Irrwegen – heute seinen Platz im Seligenstädter Regiomuseum gefunden.
Viel gäbe es noch von Löffeltrunk und Geleit zu berichten, doch aus Zeit- und Platzgründen sei hier auf die Schriften von Dr. Josef Schopp verwiesen, der sich in hohem Maße um die Erforschung des Löffelbrauchtums verdient gemacht hat.
Seligenstadt ist froh und stolz, ein so einmaliges Brauchtum zu besitzen, und die vor 30 Jahren gegründete „Ordensbruderschaft der Ritter zum steyffen Löffel“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, für den Heimatbund Seligenstadt e.V. diesem alten Brauch die notwendige Aufmerksamkeit und Pflegeangedeihen zu lassen.
Schauen Sie sich die historischen Filmaufnahmen des Geleitszugs und anschließenden Löffeltrunks ausdem Jahr 1953 und 1961 an - einfach auf das Video klicken und bei Bedarf vergrössern: